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Die zweite Hospitation in der Oberschwabenklinik

Im Rahmen des Job Sparrings durften vor Kurzem erneut zwei Mitglieder von „Meine Station“ in der Oberschwabenklinik in Ravensburg hospitieren. Tamara und Christine nutzten diese Chance, um für ihr Team neue Eindrücke und Impulse zu sammeln. Ein Erlebnisbericht von Tamara.

Wir wurden sehr herzlich vom Chefarzt der Kinderklinik, Priv.-Doz. Andreas Artlich in Empfang genommen. Er erklärte uns in einem Gespräch, wie er auf die Idee kam, Soziokratie in einer Klinik zu etablieren. Seine Ausbildung hatte er zum Großteil in Schweden und England absolviert und dort sind die Strukturen deutlich anders gewesen als in Deutschland.

Das wollte er dann auch in seiner eigenen Arbeit in Deutschland ändern. Als er 2002 Chefarzt der Kinder- und Jugendmedizin wurde, war er, so wie die meisten Führungskräfte im Ärztlichen Dienst, nicht vorbereitet. Bei Dienstantritt war er durch mehr als zehn Jahre in linearen ärztlichen Führungshierarchien sozialisiert. Seine Vorstellungen zu Führung und Organisation hatte er im Wesentlichen in der kritischen Auseinandersetzung mit dem Führungsstil seiner Vorgesetzten erworben.

Kurz vor seinem Wechsel auf die Chefarztposition hatte er ein mehrtägiges Training für Führungskräfte aus der Industrie besucht. Dort verstand er, wie innovativ große Unternehmen bezüglich ihrer Vorstellungen zu Führung und Organisationsentwicklung im Vergleich zur Organisation Krankenhaus waren.

Anfang 2018 entschied sich auf Initiative des ärztlichen Leiters eine Gruppe von Führungskräften aus Pflege und Ärzteschaft gemeinsam mit der Geschäftsführung der Oberschwabenklinik in Ravensburg für eine grundlegende Veränderung.

An der Klinik für Kinder- und Jugendliche unter Leitung des Chefarztes und der leitenden Pflegekraft wurde als eine Antwort auf die vielfältigen, drängenden und jeweils hochkomplexen organisatorischen Herausforderungen im Deutschen Gesundheitssystems - insbesondere im Krankenhaus - die Soziokratische Kreisorganisationsmethode (SKM) eingeführt.

Vielen Beteiligten wurde erst im Rahmen des Projekts bewusst, welch erheblichen Einfluss die von ihnen selbst (meist unbewusst) übernommenen, historisch gewachsenen und in einer linearen Hierarchie abgesicherten Kommunikations- und Verhaltensmuster haben. Diese kollidieren mit modernen Organisationszielen wie Partizipation, Transparenz und Mitverantwortung. Auch die Lösungsfindung für komplexere Fragestellungen werden durch diese klassischen Strukturen behindert, manchmal sogar unmöglich gemacht.

Im Rückblick war deshalb die intensive Begleitung durch eine erfahrene, externe Beobachterin und Organisationsexpertin unabdingbar. Die Mitarbeiter:innen, die in den Kreisstrukturen eingebunden sind, sprechen ausschließlich positiv von ihrer Arbeitsweise.

Die Arbeit würde ruhiger und geordneter ablaufen und die Strukturen würden jetzt deutlich mehr hergeben. Eine Fluktuation wäre praktisch nicht mehr vorhanden.

Wir konnten während unserer Hospitation mit vielen von ihnen über ihre Erfahrungen sprechen. Und eins verband sie alle: Sie brennen für dieses Projekt der Veränderung.

Schaut man allerdings über den Tellerrand hinaus und fragt Mitarbeiter:innen, die nicht direkt in dieses System eingebunden sind, bekommt man gemischte Antworten. Auf der einen Seite hieß es, es würde sich auch auf den normalen Alltag auswirken, da die allgemeine Stimmung in der gesamten Klinik besser wäre. Auf der anderen Seite hieß es aber auch, man bekomme davon eigentlich nichts mit und man würde kaum einen Unterschied zu einer anderen Klinik oder zu früher erkennen.

Laut Aussage von Herrn Priv.-Doz. Dr. Artlich, der uns sehr an Hubertus erinnerte und uns auch das Du angeboten hat, sei er ein Visionär und Optimist. Auch er musste in die neuen Strukturen wachsen und lernen, nicht mehr alles selbst zu entscheiden. Er hat es nach langer Vorbereitungs- und nun auch schon einiger Zeit im Echtbetrieb geschafft, die Strukturen seiner kompletten Klinik zu ändern. Tagesaktuell am 28.02.2023 wurde entschieden, das auch andere Strukturen intern (beispielsweise die Geschäftsführung) in Kreisstrukturen umgedacht werden sollen.

Sein letzter Satz an uns war: Bleibt dran! Es dauert, aber es lohnt sich!