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Potenzialentfaltung durch rollenbasiertes Arbeiten

„Bei uns gibt es jetzt Rollen“ oder „Wir arbeiten jetzt rollenbasiert“ – Was für unser Team von „Meine Station“ inzwischen zum Alltag gehört, ruft in den Gesichtern vieler Interessierter einige Fragezeichen hervor. Was bedeutet es genau, dieses sogenannte Rollenkonzept? Was daran ist anders oder besser? Macht bei uns jeder, was er will – wie soll das denn funktionieren?

Um unser Rollenkonzept zu verstehen, ist zunächst ein Blick auf die traditionelle Aufgaben- und Verantwortungsverteilung in einem Krankenhaus nötig.

Der Mensch muss in die Stelle passen

Wir alle kennen das: Organigramme und Stellenbeschreibungen, über die Inhalte, Zuständigkeiten und Befugnisse einzelner Stelleninhaber sehr genau definiert sind. Jede Person, die sich für eine Stelle bewirbt, weiß von Beginn an, was genau von ihr erwartet wird – die konkrete Ausübung der beschriebenen Tätigkeiten – nicht weniger, aber eben auch nicht mehr. Was, wenn die Person sich weiterentwickelt, sich beispielsweise Fähigkeiten aneignet, die in ihrer Stellenbeschreibung nicht beschrieben und damit nicht verlangt werden? „Das entspricht nicht Ihrer Funktion“, „Überlassen Sie dies Ihrer Führungskraft, dem Arzt, der Projektverantwortlichen, usw.“ wird dem ursprünglich motivierten Mitarbeitendem dann häufig gesagt – und zwar nicht aus böser Absicht, sondern weil das bestehende System eben keine Alternative zulässt.

Ein Beispiel: Nehmen wir an, Lisa, eine Pflegefachkraft, interessiert sich stark für die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Sie hat sich eingelesen und tauscht sich über soziale Netzwerke mit anderen Pflegefachkräften intensiv aus. So hat sie erfahren, dass es digitale Tools zur Dienstplangestaltung gibt und weiß inzwischen, worauf es bei der Implementierung ankommt. Sie ist wild entschlossen, ihre Ideen umzusetzen, denn sie ist davon überzeugt: Der bisherige Prozess – die Dienstplanerstellung durch die Stationsleitung, abzusegnen durch die Pflegedienstleitung – könnte deutlich verschlankt, verbessert und auf die Bedürfnisse des gesamten Teams ausgerichtet werden. Dies würde auch die Stationsleitung entlasten. Und doch findet sie kein Gehör – die Dienstplanerstellung ist der Leitungsfunktion fest zugeordnet.

Das bestehende System ist sehr klar, überschaubar – aber eben auch starr. Die einzige Möglichkeit für Lisa, ihre Ideen umzusetzen, bestünde darin, sich auf eine andere, möglicherweise passendere (Leitungs-)Stelle zu bewerben. Falls es eine solche nicht gibt, geht sie entweder desillusioniert bzw. mit schwindender Zufriedenheit weiter ihrer Tätigkeit nach oder wird das Unternehmen verlassen. In beiden Fällen geht wertvolles Potenzial verloren. Dieses System ist für Klinikmitarbeitende so zur Normalität geworden, dass es kaum hinterfragt wird. Ebenso die damit verbundene Fluktuation.

Die Rolle passt zu den Stärken des Menschen

Kann es gelingen, das Denken in festen Stellen und Funktionen zu überwinden? Auf „Meine Station“ passiert genau das, indem Flexibilität großgeschrieben und Verantwortung aufgeteilt wird.

Die Situation für Lisa sähe hier somit ganz anders aus als oben beschrieben. Denn auf „Meine Station“ gibt es keine Stationsleitung, die einen Dienstplan erstellen könnte. Es gibt auch keine Anbindung an die Pflegedienstleitung. Die Dienstplanerstellung erfolgt selbstorganisiert – aus dem Team heraus.

Das bedeutet konkret:

Die Rolle „Dienstplangestalter: in“ wird vom Team als notwendig erachtet. Die damit verbundenen Verantwortlichkeiten und erforderlichen Kompetenzen werden präzise beschrieben. Zudem erhält sie wie jede Rolle einen Purpose – den Sinn und Zweck, um einen gewünschten Zielzustand durch die erfüllten Verantwortlichkeiten erreichen zu können. Dieser Purpose zahlt zudem auf den Purpose des Teams für ihre Zusammenarbeit ein. All dies geschieht zunächst unabhängig von irgendeiner Funktion/Position bzw. einer Person.

Erst im sogenannten „Governance Meeting“ wird dann die Rolle besetzt. Im Grunde handelt es sich hierbei um ein strukturiertes, gemeinsames Wahl- bzw. Entscheidungsverfahren: Die Rolle wird fair an diejenige Person (oder mehrere) vergeben, die dafür bestmöglich befähigt und motiviert ist (bzw. sind) – unabhängig von Status und Hierarchie.

Die Rolle ist von der ausführenden Person entkoppelt. Der Mensch führt die Rolle zwar aus, aber er „ist“ nicht die Rolle – dies bedeutet: Er kann die Rolle – sobald vom Team legitimiert – auch wieder abgeben.

Es ist möglich, in Rollen durch persönliche Weiterentwicklung und Weiterbildung hineinzuwachsen oder Rollen zu erweitern. Lisa könnte aufgrund ihrer Kenntnisse und Interessen somit nicht nur die Rolle „Dienstplangestalter:in“, sondern auch „Digitalisierungsunterstützer:in“ ausführen.

Innerhalb der Rolle trifft die ausführende Person eigenständig und verantwortungsvoll die notwendigen Entscheidungen – oder holt sich entsprechende Unterstützung im Team. Gleichzeitig trägt sie in ihrer Rolle auch die Verantwortung, dass die notwendigen Tätigkeiten gut und pünktlich erledigt sind.

Eine Rollenstruktur erarbeiten

Eine Organisation, die mit dem Loop Approach ermöglicht werden soll, ist eine Organisation, in der nicht feste Positionen ausgefüllt werden, sondern jede:r sich Rollen sucht, die zu den eigenen Stärken passen. Daher ist die Beschäftigung mit unseren eigenen Wünschen, Stärken und Entwicklungspotenzialen essenziell für jede Kollegin und jeden Kollegen auf „Meine Station“.

Unerlässlich ist zudem eine gute Dokumentation darüber, wie unser Team die Gesamtverantwortung auf Rollen und diese wiederum auf Personen aufteilt. Klar ist: Es handelt sich jeweils nur um ein Abbild der derzeitigen Realität – die Aufteilung kann sich nach Bedarf verändern. So entwickelt sich unsere Rollenstruktur beständig weiter, indem wir uns fragen: Welche Rollen werden wirklich gebraucht? Was fehlt uns aktuell noch? Was lässt sich verbessern? Und wie behalten wir den Überblick bei der Vielzahl an Rollen, die in auf einer Krankenhausstation anfallen?

Ist das nicht total zeitaufwändig?

Ja! Die Erarbeitung und Weiterentwicklung des Rollenkonzepts ist für uns natürlich eine große Lernreise und Herausforderung parallel zur Patient:innenversorgung. Denn alle Rollen müssen identifiziert, beschrieben, besetzt und ausgeführt werden – zudem muss das Konzept jederzeit nachvollziehbar und transparent sein. Wir sind jedoch davon überzeugt, dass sich der Aufwand dafür mehr als lohnt.

Wo sonst gibt es spannende Rollen wie Entlassvorbereiter:in, Change Wächter:in, DaVinci-Dirigent:in, Schnittstellenmanager:in oder Onboarding Koordinator:in? Jeder von uns ist gleichermaßen eingeladen wie aufgefordert zu durchdenken: Welche Dinge will ich in meinem Kompetenzbereich haben und wo will ich mich hin entwickeln? Auf „Meine Station“ fließen Kompetenzen und Tätigkeiten ineinander, ergänzen sich gegenseitig und lassen uns in unseren Tätigkeiten aufblühen.

Die Worte des Gelehrten Sadhguru bringen es auf den Punkt:

„Im Leben geht es nicht darum, besser zu sein als jemand anderes. Es geht darum, sich selbst zu erlauben, sein volles Potenzial zu entfalten.“